Wasser von oben und kein Ende. Bereits seit Monaten folgt in Mitteleuropa ein Tiefdruckgebiet dem nächsten. Die Folge: Die Pegelstände der Fließgewässer erreichen auch im Kreis Steinfurt Höhen wie seit langem nicht mehr. Die Besonderheit dabei ist, dass es keine kurzfristigen Hochwasser sind, die schnell wieder zurückgehen, sondern dass sich die Pegel bereits seit Wochen auf hohem Niveau bewegen. So liegt der Emspegel Greven bereits seit Mitte Oktober ununterbrochen deutlich über der Mittelwasserlinie. Die Spitzenwerte wurden um die Weihnachtszeit erreicht. Da der Oberboden seit Wochen wassergesättigt ist, reichen momentan auch mittlere Niederschlagsereignisse aus, um die Flüsse rasch wieder über die Ufer treten zu lassen. Das betrifft im Kreis Steinfurt nicht nur die Ems, sondern auch kleinere Fließgewässer wie Vechte, Steinfurter Aa und Glane.
Was für Anwohner und Landwirte teilweise Unannehmlichkeiten mit sich bringt, ist für die Natur und vor allem die Flussauen ein Segen. Denn Hochwasser sind lebensnotwendig für die Auen. Ihre Dynamik schafft und erhält die Lebensbedingungen für die auentypischen Standorte, Pflanzen und Tiere. Es entsteht ein Mosaik aus höher gelegenen, trockenen Sandbänken, feuchten Senken, weiten Schlammbänken und vegetationsfreien Steilufern. Dies ist nur da möglich, wo der Fluss ausreichend Raum hat und nicht in ein befestigtes Bett gezwungen wird. Im Kreis Steinfurt betrifft dies vor allem die renaturierten Abschnitte der Ems. Hier bilden sich Steilufer, in denen Uferschwalben ihre Brutröhren graben können. Offene Sandflächen werden von spezialisierten Käfern und Wildbienen bewohnt. Auf Schlammfluren siedeln sich Pionierpflanzen wie Schlammkraut, Braunes Zypergras oder Zweizahn-Arten an. Die Gehölze in der Aue kommen mit langandauernden Überflutungen klar. So verträgt die Silberweide Überflutungshöhen bis über 3 Meter und eine Überschwemmungsdauer von mehr als 200 Tagen im Jahr. Zum Keimen braucht sie als lichtliebender Pionier offene Standorte, wie sie insbesondere die nach Hochwasser abgelagerten Sand- und Schluffbänke bieten.
Mit Ende der Vegetationsruhe und steigenden Temperaturen ist davon auszugehen, dass die Niederschläge weniger schnell in die Fließgewässer gelangen und die Pegel sinken. Erst dann wird auch erkennbar sein, welche Spuren die Hochwasser in den Auen hinterlassen haben.